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Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes,
liebe Lyrikfans,

"ich freue mich jeden Morgen darüber, wie wunderbar Rückerts Gedanken, Gedichte so in diese, unsere Zeit passen. Die Zeit und der Mensch sind einfach zeitlos, die Sprachausdrücke manchmal nicht so ganz, aber gut zu deuten und zu verstehen. Dank Ihnen, der alles exzellent um- und übersetzt", schreibt Traude Raithel, was ein sehr schönes Kompliment ist.

Margot Wechsung geht auf Goethe ein und ihre einstige Deutschlehrerin: "Dass Goethe Rückert lobt, ist ja toll. Denn er war ja ein sehr eifersüchtiger, eitler Reimer. Die Konkurrenz Schiller hat ihn, glaub ich, immer gewurmt. Gern erinnere ich mich an eine der vielen, vielen Deutschstunden bei unserer Goethe verehrenden Deutschlehrkraft. Ihren immer wieder verrutschenden Büstenhalterträger zurechtrückend, hat sie uns ermahnt, 'gut aufzupassen, denn Sie werden nie mehr so viel über Goethe erfahren'. Deshalb danke ich Ihnen, dass Sie so viel interessante Stellen aus dem schier unerschöpflichen Rückert-Nachlass auskramen, herauspflücken, kommentieren und erklären. Wunderbar."

Hier muss ich kurz zurechtrücken: Ich schöpfe nicht aus dem Nachlass, sondern aus zahlreichen Anthologien (u. a. gibt es einen Reclam-Band mit Rückert-Gedichten) und wissenschaftlichen Lehrbüchern und Biografien, deren Erkenntnisse ich wiederum versuche, in eine einfache Sprache zu bringen, denn dort wimmelt es oftmals von Fachsprachenjargon, dass einem der Kopf schwirrt. Dabei lässt sich das Meiste auch einfach ausdrücken, so jedenfalls meine Erfahrung.

Anne Clarks ruhige Vertonung des "Welt-abhanden-gekommen-Seins" wird auch gelobt, und Heidi Dörings Episode zum 13. Gedicht soll zuletzt noch zur Sprache kommen: "Wieder bin ich sehr berührt; von Rückert, aber auch von deinen Worten, denn wenn man wie ich einige Jahre in einem fremden Land gewohnt und gearbeitet hat, kommt man den Menschen, der Kultur, ja auch der Natur in diesem Land immer näher. Als 20-Jährige lebte ich einige Jahre in Schweden. Als Au-pair-Mädchen habe ich Kunstunterricht bezahlen können. Zu den damaligen Kindern, mit denen ich zusammen Schwedisch lernte, habe ich heute noch Kontakt. Fahre ich nun wieder mal nach Schweden, bin ich nach einem Tag wieder voll in der anderen Sprache und träume dann auch auf Schwedisch. Und das Verrückte ist, dass es Worte gibt, die typisch Schwedisch sind, die ausdrücken, was Schweden fühlen. Z. B. das Wort 'lagom', es gibt kaum eine Übersetzung. Es kann heißen 'GENAU RICHTIG' oder 'AUSREICHEND' oder 'PASST SCHON', auf jeden Fall eine vollkommen unaufgeregte Zustimmung. Eben typisch Schwedisch! Ist man in die andere Sprache eingetaucht, fühlt man so, lebt man gerne so, lacht und weint so wie dort."

Wunderbare Worte, denen es nichts mehr hinzuzufügen gibt. Ach so, wir haben ja noch ein Rückert-Gedicht!

Viel Vergnügen,
Matthias Kröner

 

Warum soll ich aufstehn?
Die Sonne wird schon aufgehn
ohne daß ich sie treibe;
wird alles seinen Lauf gehn
auch wenn ich liegen bleibe.

 

Kurz eingeordnet

„Hair Peace“, „Bed Peace“, denke ich, wenn ich diese Zeilen lese. Sie wissen nicht, was das ist? 1969 haben sich John Lennon und Yoko Ono in einem – durchaus luxuriösen – Hotel in Amsterdam vom 25. bis 31. März einquartiert, um ihre Flitterwochen als gewaltfreien künstlerischen Widerstand für Frieden und gegen den Vietnamkrieg zu initiieren. Dabei ließen sie es ausdrücklich zu, dass ihnen Journalistinnen und Journalisten zwischen 9 und 21 Uhr (!) alle möglichen Fragen stellen durften. Am 26. Mai wiederholten sie die Aktion in Montreal; dabei entstand mehr oder weniger spontan der Welthit Give Peace a Chance. Man sieht: Manchmal ist es nicht schlecht, im Bett zu bleiben!
Gut 200 Jahre vorher hatte der alternde Friedrich Rückert diese Meinung auch. Ich mag die Leichtigkeit seiner fünf Zeilen, ein Plädoyer für Gelassenheit. Da spricht keiner, der die Welt mit harter Hand oder mit Fleiß oder mit Genialität ändern will. Eher einer, der weiß, dass wir uns alle immer viel zu ernst nehmen.
Kleiner Fun Fact am Rande: Wie John Lennon hatte auch Rückert bis zuletzt lange, sehr lange Haare. Allerdings gibt es kein Bild von ihm im Pyjama – und auch der Dokumentarfilm war noch nicht erfunden.

P.S. Eines sei nicht verschwiegen: Der Schweinfurter Autor Klaus Gasseleder, der mehrere – sehr gute – Bücher über Rückert geschrieben hat, sieht in diesem Gedicht die Anzeichen einer Altersdepression. Dem wage ich vorsichtig zu widersprechen: Wer eine starke Depression hat, kommt zwar wirklich nicht aus dem Bett, doch zerreibt sich zwischen den eigenen Gedanken. Er zerdenkt das Leben, ohne es zu leben – und schreibt (wahrscheinlich) keine so pointierten Gedichte.

 

 

 

 

P.S. Das Rückert-Projekt wird von der Stadt Schweinfurt, der Rückert-Gesellschaft e. V. und der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e. V. gefördert. Vielen Dank dafür – ohne diese Unterstützung wäre das Projekt nicht möglich!

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