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Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes, liebe Lyrikfans,

bis 31. August sammele ich noch Themen für neue Gedichte. Es kann also sehr gut sein, dass Ihre Idee dabei ist!
Am Donnerstag habe ich mit Kristian Thees und Anke Engelke im Podcast »Wie war der Tag, Liebling?« über »Wanted – 44 Gedichte nach Wunsch« gesprochen. Ab Minute 16.45 geht's los!
Sehr lustig: Anke und Kristian werden zu einem Thema, das mir Barbara Horst zugeschickt hat, ebenfalls ein Gedicht schreiben. Zu »geschenkte Zeit«! Ich werde berichten ...

Bevor ich mich demnächst in die Sommerpause begebe, noch ein kleiner Überblick über die nächsten Projekte:

1. Am 26. August lese ich bei der Lübecker Museumsnacht. Ein
Lyrik-Bingo ist angedacht. Eintritt frei!

2. Vom 18. bis 26. September wird es einen »Fortsetzungsroman« (auch als Hörfassung) in diesem Newsletter geben. Die Novelle heißt »Der Trichter und sein Henker« und handelt von einem Bankangestellten, der plötzlich zu einem Dichter werden muss – mit allen Höhenflügen und Tiefschlägen, die so ein Künstlerdasein bereithält ...

3. Vom 7. bis 22. Oktober begleite ich die »Hospiz- und Palliativwoche Lübeck« mit Gedichten zu Leben und Tod (Newsletter). Es geht darum, das Tabuthema Tod als natürlichen Teil des Lebens zu sehen.

4. Am 18. November startet dann »Wanted – 44 Gedichte nach Wunsch« zu Ihren Themen.

Das wird ein spannender Literaturherbst.

Passend zum Sommer sollen es heute zwei ungehaltene Reden sein: aus Sicht einer Stubenfliege – und einer Fensterscheibe.

Herzliche Grüße
Matthias Köner

Raus ins Leben!

Eine ungehaltene Rede
einer ungehaltenen Fliege


Liebe Fliegen,

ich spreche heute zu Ihnen, um Sie vor Ihrem kurzen Ausflug auf der Erde einzuweisen. Die meisten haben bereits ein ein- bis vierjähriges Larvenstadium hinter sich, doch machen sich keine Vorstellungen, wie es oberhalb ihrer Gewässer aussieht. Denn glauben Sie mir: Die Menschen sind Monster und haben uns durch Filme wie »Die Fliege« oder »Herr der Fliegen« nachhaltig in Verruf gebracht. Anstatt sich zu freuen, dass wir ihre Exkremente würdigen, gehen sie mit Fliegenklatschen und Chemikalien auf uns los. Sie betrachten uns unter Mikroskopen und erschrecken vor unseren Mundwerkzeugen, ohne daran zu denken, dass ihre Naseninnenwände von Borsten und Schleim durchzogen sind. Doch so verhält es sich mit den ach so intelligenten Lebewesen: Sie halten zum Beispiel Kaninchen für bedeutender als Insekten, weil sie niedlicher sind und sich streicheln lassen. Der Tod einer Fliege rührt sie nicht, vom täglichen Mord an Ameisen ganz zu schweigen. –

Wir dagegen, meine sechsbeinigen Freunde, haben uns in 200 Millionen Jahren als evolutionärer Dauerbrenner erwiesen. Das ist kein Zufall! – Während die Menschen in gerade einmal einer Million Jahren den Planeten zugrunde gerichtet haben, sind wir bis zum heutigen Tag als Blütenbestäuber und Sporenträger aktiv und haben dadurch einen ebenso wichtigen Platz in der Natur ergattert wie die allseits geschätzten Hummeln und Bienen, die sogar in Kinderbüchern gewürdigt werden.
Außerdem wird ja immer wieder vergessen: Setzt man unsere Größe in Bezug zur Fluggeschwindigkeit, düsen wir zehnmal so schnell ins Leben wie ein moderner Kampfjet. Und was unsere Facettenaugen betrifft: Es gäbe deutlich weniger Herzinfarkte, wenn der Homo Sapiens die Gefahren gemächlicher auf sich zukommen sehen würde. –

Doch kommen wir zu den Gefahren die Ihnen begegnen können: Ich rede von Fenstern. Was waren das noch für Zeiten, als wir durch Gitter und Burgmauern entschlüpfen konnten, als das Glas bei der standardisierten Einrichtung eines Zimmers nicht dazugehörte! Liebe Genossinnen und Genossen, sehr geehrte 9.200 Arten in Mitteleuropa, wehren Sie sich, indem Sie handeln! Ich sehe keine Möglichkeit, als die Glasfabriken in Deutschland anzugreifen. Stoppt die Maschinen! Alle Räder stehen still, wenn ein Flügelschlag es will! –
Aber leider, ich weiß, uns fehlt die Zeit für solch waghalsige Unternehmungen. Und damit meine ich nicht nur Sie, meine lieben Eintagsfliegen. Die meisten von Ihnen leben nach der Entpuppung nur stundenlang; die Greise unter uns vielleicht 100 Stunden. Uns bleibt nicht viel, als uns einfach nur fortzupflanzen, Eier zu legen, neue Larven in die Welt zu setzen und den Weg allen Fleisches zu gehen. Für gesellschaftliche Umstürze reicht es nicht! –
Doch denken Sie immer daran: Im Gegensatz zu den zweibeinigen Monstern erfolgt unser Koitus im Flug, was uns so schnell keiner nachmacht. Außerdem haben wir Häutungen hinter uns, von denen der Mensch nur träumt! Die Welt braucht uns! Die Welt braucht Sie!

Liebe Fliegen, geschätzte Familien der Spalt- und der Deckelschlüpfer, bevor ich Sie jetzt in die Welt entlasse, noch einen letzten Rat: Meiden Sie Marmeladenbrote (Vorsicht Fliegenklatschen!) und Lichtquellen, die näher sind als der Mond (Vorsicht Verbrennungsgefahr!)!

Es grüßt beinchenreibend und flügelschlagend

Ihr Hans Brummer,
Vorsitzender der Regionalgruppe ver.di (vereinte Doppelflüglerinnung e. V.) aus dem Stadtpark

 

 

Dreht euch um!

Eine ungehaltene Rede
einer ungehaltenen Fensterscheibe


Lieber Hans Brummer,

mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie die Glasfabriken in Deutschland angreifen wollen. Dazu möchte ich Ihnen freundlich, aber bestimmt mitteilen: Wir, die mitteleuropäischen Fensterscheiben, haben den Genossinnen und Genossen Ihrer Organisation schon oft gesagt, dass sie sich einfach umdrehen und hinter sich schauen sollen! Machen Sie eine 180-Grad-Wendung! Das kann doch in drei Fensterleders Namen nicht allzu schwer sein!
Doch, ach, wer sich nicht in die Vergangenheit blicken traut, der wird scheitern. Er versauert, fällt aus dem Rahmen und stirbt.
Ich bitte Sie, diese drastischen Worte, als das zu nehmen, was sie sind: glasklare Realität. Dabei trauere ich mit Ihnen um jede Fliege, die jeden Millimeter meiner Durchsichtigkeit mit dem Rüssel und ihren Beinchen absucht. Ich weiß, dass sie versagen muss. Ich befinde mich in einem modernen Wohnhaus und werde ersetzt, wenn ich auch nur einen Riss bekomme. Wäre ich Teil einer verlassenen Villa oder einer aufgegebenen Lungenheilanstalt, gäbe es den Hauch einer Chance. Aber so …
Liebe Familien der Spalt- und der Doppelflügler, liebe Eintagsfliegen und Greise, wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich mich für Sie öffnen oder zumindest ankippen. Doch dazu sind nur die Zweibeiner in der Lage – und selbst dann geschieht es, dass ihr Fliegen immer noch nicht das Schlupfloch seht. Der Fensterrahmen bleibt eine unüberwindbare Hürde, um hinaus in die Welt zu kommen …
Damit seid ihr den Homo Sapiens nicht so unähnlich! Wenn die Menschen ein Ziel verfolgen, drehen sie sich auch nicht um. Sie starren schnurstracks ins Licht, das schon beinahe greifbar ist. Wenn die Hindernisse zu groß sind, fangen sie einen Krieg an …
Würdet ihr, verehrte Rüsselträger, einfach kurz innehalten, gäbe es keine Schwierigkeiten zwischen uns. Denn: Wir wollen niemand aufhalten! Und die Freiheit erreicht man leichter durch offene Hintertüren …

Lieber Hans Brummer, ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt. Sagen Sie Ihren 9.200 Arten, dass sie ihre wertvolle Existenz nicht einfach nur damit verbringen sollen, gegen eine Scheibe zu brummen, weil sie es nicht anders kennen und ihre Eltern genauso gehandelt haben.

Fensterleder ahoi und immer einen guten Durchblick wünscht

Ihre Genoveva Glas,
Vorsitzende der Regionalgruppe proScheibe der Einfamilien- und Hochhausinnung in deutschen Städten

Wer mag, kann jederzeit auf meiner Webseite stöbern. Man findet Leseproben, Bücher, Links zu neuen Projekten – und kann mich auch für Lesungen buchen. Siehe www.fairgefischt.de!

Matthias Kröner - Grüner Weg 44 - 23909 Ratzeburg - Tel.: 0176/32331629