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Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes, liebe Lyrikfans,

herzlich willkommen zu meinem neuen Projekt »Flash Fiction – 33 shortshort Storys«! Heute und in den folgenden 28 Tagen geht es um Kurz- und Kürzestgeschichten bis höchstens 1.000 Wörter. Diese junge literarische Gattung stammt aus dem anglo-amerikanischen Bereich – und steht der Lyrik nahe.

Wer mag, kann die Flash-Fiction-Storys auch als kleine Lesungen genießen – beim Frühstück, während man pendelt, am Feierabend, in der Badewanne … Außerdem suche ich für Ausgabe 11 und Ausgabe 22 zwei Flash-Fiction-Geschichten von Ihnen, die ich mit 50 Euro honorieren werde.

Viel Freude beim Lesen und Hören!
Ihr Matthias Kröner

 

Briefkopf

Die Bewohner von Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch waren schwer enttäuscht. Niemand wollte mit ihnen eine Städtepartnerschaft eingehen.
„Euer Städtename ist so gewaltig“, lachten die, die sie angefragt hatten. „Wo sollen wir bitteschön dafür Schilder herbekommen? Wir bringen euch ja nicht mal auf unseren Briefkopf! Und wenn doch, dann verschwinden wir hinter euch. Nein, nein, darauf lassen wir uns nicht ein. Wir können es uns nicht erlauben, im Schatten von achtundfünfzig Buchstaben zu stehen, von denen fünfundvierzig auch noch Konsonanten sind.“
So gingen die Jahre ins Land und die Bewohner von Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch gaben es auf, nach einer geeigneten Partnerstadt für sich zu suchen. Jahrzehnte später meldete sich eine Stadt aus Frankreich. Sie hieß Y – und hatte die Hoffnung genau wie Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch schon etwas länger aufgegeben.
„Wir wollen ehrlich sein“, schrieben sie. „Alle halten uns für zu mickrig. Sie haben Angst, dass ein Schild mit uns wie ein Druckfehler aussehen würde. Und auf einem Briefkopf machen wir nicht viel her. Niemand will sich mit einer Stadt einlassen, die nur aus einen einzigen Buchstaben besteht – und dann auch noch ausgerechnet dem Y.“
„Nun“, schrieben die Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogocher zurück, die vorsichtig geworden waren. „Habt ihr keine Angst, hinter uns zu verschwinden? Immerhin sind wir achtundfünfzig Buchstaben stark, von denen fünfundvierzig auch noch Konsonanten sind. Außerdem passen wir nicht mal auf einen Briefkopf.“
Diesmal antwortete der Bürgermeister von Y höchstpersönlich. „Es wäre uns eine Ehre, mit Ihnen eine Städtepartnerschaft einzugehen. Wir schätzen Ihre achtundfünfzig Buchstaben, von denen fünfundvierzig sehr schöne Konsonanten sind. Und was den Briefkopf angeht – also wir hätten noch sehr viel Platz.“
Fortan gehörten Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch und Y zusammen. Sie ließen sich neue Briefbögen mit großen Köpfen drucken, bauten Schilder, wie sie die Welt niemals zuvor gesehen hatte und feierten jeden Jahrestag ihrer Vereinigung überschwänglich, ja, man kann wirklich sagen, sie waren beide glücklich.

 

 

P.S.: »Flash Fiction – shortshort Storys« wird von Kulturfunke* gefördert – vielen Dank dafür!

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Matthias Kröner - Grüner Weg 44 - 23909 Ratzeburg - Tel.: 0176/32331629