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Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes, liebe Lyrikfans,

herzlich willkommen zu meinem neuen Projekt »Flash Fiction – 33 shortshort Storys«! Heute und in den folgenden 30 Tagen geht es um Kurz- und Kürzestgeschichten bis höchstens 1.000 Wörter. Diese junge literarische Gattung stammt aus dem anglo-amerikanischen Bereich – und steht der Lyrik nahe.

Wer mag, kann die Flash-Fiction-Storys auch als kleine Lesungen genießen – beim Frühstück, während man pendelt, am Feierabend, in der Badewanne … Außerdem suche ich für Ausgabe 11 und Ausgabe 22 zwei Flash-Fiction-Geschichten von Ihnen, die ich mit 50 Euro honorieren werde.

Viel Freude beim Lesen und Hören!
Ihr Matthias Kröner

 

Ein seltsames Theatererlebnis

Angekündigt war „ein etwas anderer Theaterabend“. Wir kannten solche Reizwörter und ließen uns nicht beeindrucken.
Wir legten ab, besuchten vorsichtshalber noch einmal die Nasszellen und nahmen unsere Sitzplätze ein. Als wenig später der Gong ertönte und ein Theaterangestellter die Türen schloss, war es doch anders, als wir erwartet hatten.
Der Vorhang blieb unbewegt. Zehn Minuten geschah nichts.
„Sind wir das Stück?“, fragte mich meine Frau. „Spielen wir uns selbst? Als Zuschauer?“
„Wie soll ich mich spielen“, entgegnete ich, „wenn hier nichts passiert?“
„Es passiert doch was“, gab meine Frau zurück. „Wir unterhalten uns. Wir unterhalten uns darüber, dass der Vorhang geschlossen bleibt. Wir denken darüber nach, inwieweit wir ein Teil des Stückes sind.“
„Das hätte ich auch zu Hause haben können.“
Ich war weniger interessiert als sie. Ich zitierte Shakespeare. „Die ganze Welt ist eine Bühne. Dafür muss ich nicht da sein.“
„Aber, schau mal, wie interessant! Alle blicken sich um. Keiner weiß, was los ist. Keiner ahnt, dass er bereits seine Rolle einnimmt. Die des Wartenden. Die des in seiner Erwartung Getäuschten. Ist das nicht großartig? Wann wird man schon einmal aus sich selbst herausgeholt? Wir benehmen uns, wie wir uns benehmen sollten, doch wir sind uns dessen bewusst. Findest du das nicht spannend?!“
Um uns herum wurde es lauter, und als die ersten Zuschauer die Türen öffneten, wussten wir, es würde ein seltsamer Abend werden.
Selbst die Damen und Herren vom Catering, die im Foyer auf die Pause warteten, sahen uns mit jenen unschuldig-trübseligen Blicken an, die Catering-Bedienstete gerne für sich beanspruchen, wenn sie mit einem Wunsch nicht dienen können.
„Selten habe ich mich so gut amüsiert“, frohlockte meine Frau, während ich müde abwinkte. „Ich mag unvorhergesehene Ereignisse“, ergänzte sie. „Viel zu viel läuft nach Plan. Und wenn wirklich etwas Unvorhergesehenes geschieht, ist es meistens ärgerlich.“
„Ich finde diese Vorstellung ärgerlich, Isabella!“
„Genieß sie!“, sagte sie, und sie wusste, sie würde mich nur noch mehr verärgern. „Man sollte sich über jeden Augenblick freuen, in dem das Leben eine neue Richtung einschlägt.“
Wir setzten uns wieder auf unsere Plätze. Isabella war so erfüllt, dass sie vor sich hinkicherte. Einige Zuschauer verließen den Saal und kamen nicht mehr zurück.
Nach geschlagenen zwanzig Minuten hob sich der Vorhang.
Ein Mann erschien. „Es tut uns leid“, verkündete er. „Die Darstellerin des Hamlet hatte einen Verkehrsunfall. Wir können das Stück nicht aufführen. Sie bekommen selbstverständlich Ihr Geld zurück! Frau Merthaler wird zu dieser Stunde“, er sah auf seine Armbanduhr, „operiert. Ihr Zustand ist kritisch. Wir wissen nicht, ob sie die Nacht überleben wird.“

 

 

P.S.: »Flash Fiction – shortshort Storys« wird von Kulturfunke* gefördert – vielen Dank dafür!

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Matthias Kröner - Grüner Weg 44 - 23909 Ratzeburg - Tel.: 0176/32331629