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Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes,
liebe Lyrikfans,

was ich immer sehr mag an der Lyrischen Post: die überraschenden Nachrichten, die mich erreichen! Einige davon möchte ich mit Ihnen teilen – damit alle etwas davon haben.

Ein Leser schrieb zum gestrigen Rückert-Zweizeiler die treffenden Worte: "Danke für den schönen Aphorismus, der mitten hinein führt in die Philosophie und Psychologie der Selbstfindung und Selbstentfaltung, mit allen Höhen, Irrwegen und Tiefen (z. B. 'Übermensch', 'Selbstüberforderung'). Ich vermute, dass viele Menschen diese Erfahrung machen, oft auch durchleiden müssen, bis 'es' passt. (…) Kierkegaard beschreibt das im Extrem als 'Verzweiflung', verzweifelt selbst sein zu wollen oder verzweifelt nicht selbst sein zu wollen, gar als 'Krankheit zum Tod'. Deswegen ist es auch angemessen, wenn Rückert hier das starke Wort 'Frieden' verwendet."

Von Rückert-Espresso und Rückert-Sekt war schon die Rede. Anna Karina Fries möchte noch auf die "wunderbare Rückert-Torte im Café Schreier" hinweisen. "Das Café befindet sich vis-à-vis vom Rückertdenkmal." Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mir selbst all diese Köstlichkeiten genehmige …

Andrea Schatz verrät, dass sie "ein Google-Zufall zu Ihrem Projekt geführt hat, und jetzt freue ich mich schon den vierten Tag über Ihre Mail. Ich kannte den Dichter Rückert bisher nicht. Abgesehen von der Aktualität der Gedichte finde ich den Schwung in der Ausdrucksweise Rückerts beeindruckend."

Ein viertes Zitat soll es heute noch sein! "Dieses 'Ich soll, ich muss …' ist toll, es spukt mir im Kopf herum, eigentlich füllt es meinen Alltag aus. Einsichtig ergänze ich es beim Drandenken da und dort mit 'fast alles' oder 'ungern'. Und zum heutigen konsumorientierten Wahn ergänze ich es mit: 'ich hab (fast) alles'. Was für ein Glück, oder?"

Dem schließe ich mich vollends an – zumal es auch ein besonderes Glück ist, mit Worten arbeiten zu dürfen. Apropos: Heute widmen wir uns dem ewigen Thema der Vergänglichkeit. Viel Freude damit!

Herzliche Grüße
Matthias Kröner

 

Herbsthauch

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
hoffst du von Tagen zu Tagen,
was dir der prangende Frühling nicht trug,
werde der Herbst dir noch tragen!

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
abends verstreut er die Rosen.

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
was wir geliebt und gedichtet.

 

Kurz eingeordnet

Klar, man kann dieses Gedicht auch kitschig finden, ein bisschen sentimental, längst vergangen. Und dann noch dieser Ausruf „o Herz“!
Andererseits geht es in drei klaren und einfach gehaltenen Vierzeilern mit höchst einfachem Reimschema (abab) um das, was das Leben ausmacht und das, woran wir uns alle gewöhnen müssen: Veränderung, Vergänglichkeit.
Vermutlich wurde deshalb dieses Rückert-Werk immer wieder vertont: beispielsweise von Friedrich Theodor Fröhlich, der sich 33-jährig aus Erfolglosigkeit das Leben nahm, oder von Heinrich Kaspar Schmid, der als Musikprofessor und freischaffender Komponist in der Nähe von München tätig war.
Für heutige Ohren etwas speziell und eine Spur zu feierlich klingend, mag ich die klare und kitschfreie Rezitation von Erika Pluhar lieber, einer österreichischen Schauspielerin und Sängerin, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzt. Eine sehr persönliche Interpretation von Rückerts Vergänglichkeitspoem bietet auch die Bamberger Lyrikerin und Bachmannpreisträgerin Nora Gomringer: „Niemand rezitiert das Gedicht schöner als meine Mutter. Ich kenne Rückerts Zeilen, seit ich acht Jahre alt war, denn damals lernte meine Mutter das Gedicht mal still, mal laut vor sich hin sprechend auswendig und trug es mir vor.“
Auch so lebt Lyrik in einem weiter, durchs Vorlesen, durchs Vorleben!

 

 

 

 

P.S. Das Rückert-Projekt wird von der Stadt Schweinfurt, der Rückert-Gesellschaft e. V. und der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e. V. gefördert. Vielen Dank dafür – ohne diese Unterstützung wäre das Projekt nicht möglich!

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