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Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes,
liebe Lyrikfans,

wie schön, dass es gestern auch mal Kritik gab! Das stellt das ganze Projekt auf einen sehr guten Boden. "Ihrer Einordnung kann ich nicht folgen, scheint sie mir doch eher eine persönliche kritische Bewertung. Rückerts 'christliche Pointe' abzuwerten, ist aus meiner Perspektive nicht angemessen. Zeigt sich Rückert doch hier, wie auch an anderen Stellen, als einer, der eine christliche Grundüberzeugung hat. Warum nicht dies so wahrnehmen? Das schmälert nicht die Bewunderung für seine Fähigkeit, zutiefst menschliche Gefühle und Gedanken zu formulieren und zu reflektieren. Dass er sich in Erlangen distanziert hat von einer Frömmigkeit, die ihm (zurecht) eher depressiv und destruktiv erschien, als eine frohe Botschaft zu sein, heißt ja offensichtlich nicht, dass er dem Glauben abgeschworen hätte." Weiter schreibt Jochen Keßler-Rosa: "Ich hoffe, Sie haben Verständnis für meine Zeilen. Jeden Tag genieße ich die Lektüre Ihrer Mail und auch die innere Auseinandersetzung mit dem großen Gelehrten aus meiner Heimatstadt Schweinfurt."

Und ob ich Verständnis habe, sogar großes! Wie gut ist es doch, anderer Meinung zu sein und trotzdem respektvoll.

Ein anderer Leser schrieb: "Ich bin ein spiritueller Mensch; und ich bin geprägt von Selbsthilfegruppen, in denen es keine Bewertung, keine Ratschläge gibt – nur ein 'Sich-selbst-Zeigen'. Ich liebe es, in der Begegnung den anderen Menschen wahrzunehmen und zu versuchen, mich selbst authentisch einzubringen. Mein Weg zur Verbundenheit. Und aus der Gewaltfreien Kommunikation stammt der Gedanke: Was ist, darf sein. Und was sein darf, verändert sich."

Danke auch für diese sehr spannende Erkenntnis! Apropos: Heute geht es um Weise, Wahrheit, Irrtum und Narren.

Viel Vergnügen,
Matthias Kröner

 

Das sind die Weisen,
die durch Irrtum zur Wahrheit reisen;
die beim Irrtum verharren,
das sind die Narren.

 

Kurz eingeordnet

„Falsifizierung“ lautet das wissenschaftliche Stichwort, das Rückert mit diesem sehr pointierten Vierzeiler liefert. Nur durch Irrtum gelangt man zu Erkenntnissen. Sich den Irrtum von vorneherein zu verbieten, käme einer geistigen Niederlage gleich, die schon besiegelt ist, bevor man sich ihr gestellt hat.
Mit gerade einmal achtzehn Worten und einer ineinander verschränkten Denkfigur gelingt es dem Dichter, diese Weisheit, die ja zu allen Zeiten der Menschheit gilt, in die Gegenwart zu übertragen. Wir müssen uns zugestehen, zu irren! Sonst reisen wir an der Wahrheit vorbei oder brechen gar nicht erst dorthin auf.
In einem Zeitalter, da es sich viele Menschen in ihren Filterblasen bequem gemacht haben – und die Algorithmen dafür sorgen, dass wir immer weiter in diesen „Bubbles“ verharren, weil die Ergebnisse der Suchmaschinen und „Vorschläge“ (z. B. auf YouTube) uns immer nur selbst bestätigen –, braucht es wieder diesen übergeordneten Blick auf Fakten; nicht auf Meinungen! Faktenfinder auf tagesschau.de oder anderen unabhängigen Medien (die eben wirklich unabhängig sind und keine Klickzahlen erfüllen müssen!) können helfen, aus dem ewigen Kreislauf der Selbstbestätigung herauszutreten und die Tatsachen, die wir beweisen können, zu sehen. Zumal gute Faktenfinder auch immer auf Realitäten hinweisen, die wir nicht wissen. Auch Wissenschaft bietet keine endgültigen Antworten; das tut nur die Religion … Das wiederum macht die Wissenschaft umso glaubwürdiger!
Wäre Friedrich Rückert auf Fake News hereingefallen? Er, der Wortabklopfer, hätte zumindest begriffen, dass es „alternative Fakten“ nicht gibt. Sie sind – schon vom Wortsinn her – unmöglich und damit Falschmeldungen. Es gibt nur alternative Meinungen. Außerdem sah sich Rückert immer als Lernender. Vermutlich war er deshalb so wahnsinnig ungern ein Professor. Schon im Dezember 1814 schrieb er seinem guten Freund und Namensvetter Friedrich Schubart: „Nicht lehren will ich, sondern lernen!“
Diese Lernerfahrung, wie Rückert sie meint, benötigt den Irrtum, um aus ihm heraus weiterzu„reisen“. Dafür muss man seine Komfortzone verlassen und den Mut haben, die Fakten zu sehen – besonders dann, wenn sie die eigene Meinung nicht widerspiegeln …
Wer die Kraft dafür aufbringt, hat die Narretei aufs Kreuz gelegt – und damit viel mehr erreicht als die meisten Menschen, die sich tiefer und tiefer in sich verirren, aus Angst, in eine falsche Richtung gegangen zu sein und jetzt nicht mehr umkehren zu können. Dabei ist genau das nötig, um ein Weiser zu sein!

 

 

 

 

P.S. Das Rückert-Projekt wird von der Stadt Schweinfurt, der Rückert-Gesellschaft e. V. und der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e. V. gefördert. Vielen Dank dafür – ohne diese Unterstützung wäre das Projekt nicht möglich!

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 Rückert Gesellschaft

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