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Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes, liebe Lyrikfans,

es gab einige sehr schöne Rückmeldungen zum Kurt-Cobain-Text.

So schrieb Daniela Balkenhol: »Ich fühle jedes Wort und genau dieses Poster hing über meinem Bett! Wir sind viele « Kathrin Bien ergänzte: »Ich schätze Ihre Arbeit sehr. Vor allem diese Reihe über Leben und Tod finde ich besonders gut, um sich im Alltag in kleinen Portionen damit auseinander setzen zu können, dürfen, müssen. Bisher bin ich stille Leserin, aber als heute Kurt Cobain und Ihre damit verbundene Gefühlswelt ins Spiel kam, musste ich schreiben. Ich hab mich darin so wiedergefunden, und ich dachte mir, das kann doch nicht sein, dass es Anderen genauso ging. Danke für diese morgendliche Bereicherung!«

Lissy von Deyn stellte zudem eine spannende Frage: »Wieder einmal äußerst bewegende Zeilen! Ja, Kurt Cobain befindet sich auch in meiner Musiksammlung, und ich kann deine Emotionen sehr gut nachvollziehen. Nur kurz: Ich vermisse neben Hendrix, Morrison und Joplin eine weitere grandiose Sängerin in deiner Aufzählung, die ebenfalls mit 27 viel zu früh verstarb: Amy Winehouse. Auch sie ein ganz großer und unvergessener Verlust. Und was hat es eigentlich mit der Zahl 27 in diesem Zusammenhang auf sich? Hast du eine vermutende Erklärung?«

Wenn ich hier ausnahmsweise mal ganz persönlich antworten darf: Vielleicht ist 27 tatsächlich der Übergang zum Erwachsenenalter (zum wirklichen, mit 18 ist man noch extrem grün hinter den Ohren!), und vielleicht schmerzt dieses Jahr deshalb so sehr. Mir ging es damals so beschissen wie nie zuvor. Ich hatte psychosomatische Schmerzen, die nicht aufhören wollten, meine Schriftstellerei lief gar nicht, eine Beziehung ging zu Bruch, ich wusste nicht, wie ich jemals Worte finden sollte, die irgendwas auslösen in anderen. Umgebracht hätte ich mich sicher nicht  da halte ich es mit Charles Bukowski: »das erledigt sich von selbst« –, aber ich war so verzweifelt, dass ich heute im Rückblick sagen muss: Meine 27 waren eine Herausforderung und, wer weiß, vielleicht geht es anderen ja auch so.

Das ist natürlich alles nur eine vage Vermutung. Wer sich einlesen mag: In der Wiki ist ein guter Artikel über den Club 27, dem noch viel, viel mehr Menschen angehören; Schriftsteller wie Georg Trakl, Künstler wie Jean-Michel Basquiat, selbstverständlich Amy Winehouse (die ich in der Autofiktion nicht erwähnt habe, weil sie damals, als die Geschichte spielt, gerade mal 11 war) und andere, von denen ich in dem Artikel zum ersten Mal gehört habe.

Nur Aischylos war nicht 27, als er starb. Von ihm handelt das nächste Gedicht.

Herzliche Grüße,
Matthias Kröner

Aischylos (oder: Die Weissagung)
Ein Lyrikdrama in fünf Akten


1
Der Tragödiendichter erhielt eine Weissagung.
Er werde von einem Haus erschlagen.

Aischylos dachte: Raus aufs Land!
So irrte er durch die Wildnis.

2
Da war ein Adler.
Er sah eine Schildkröte.
Der Adler ergriff sie.
Die Schildkröte dachte: Verdammt!

3
Der Adler flog hoch und höher.
Er blickte auf seine Klauen.
Was hatte er da geholt? Einen Stein!
Der Adler ließ die Schildkröte fallen.

4
Die Schildkröte dachte: Das war’s!
Aischylos dachte – nichts.
Die Schildkröte zerschmetterte seinen Schädel.
Der Schädel rettete ihr das Leben.

5
Aischylos starb fernab der Stadt in der Steppe.
Die Schildkröte floh unter einen Stein.
Der Adler dachte: Verdammt!
Die Weissagung hüllte sich in Schweigen.

P.S.: Wer sich für die »Gedichte zu Leben und Tod« von 2023 interessiert, wird auf meiner Internetseite fündig!

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