Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes,
liebe Lyrikfans,
die Schweinfurterin Hanne Opoku-Pare schrieb mir von den Verschränkungen zwischen ihrem Leben und dem von Rückert. "Die Interpretation Ezé Wendtoins hat mich sehr bewegt: Ich war mit einem Mann aus Ghana verheiratet; meine Kinder konnten (wie Ezé W. in anderen Songs) ihre persönlichen Erfahrungen sammeln, obwohl Erlangen meistens 'offen aus Tradition' ist."
Außerdem fügte Frau Opoku-Pare hinzu: "Rückerts Mutter hatte ihre letzten Lebensjahre in Schweinfurt in der Burggasse 12 verbracht, unterstützt von Rückerts Schwester Maria Barbara. In eben diesem Haus hat meine Mutter ihre alten Eltern gepflegt, bis es 1943 durch eine Bombe zerstört wurde." Und: "Ich selbst habe 10 Jahre in Schweinfurt im Hinterhaus der Rückertstraße 15 verbracht. 10 Jahre bin ich täglich auf dem Weg zum Kindergarten und zur Grundschule an Rückerts Geburtshaus vorbeigelaufen und, wie alle Schweinfurter Kinder, in das damals mit Wasser gefüllte Bassin am Rückert-Denkmal gefallen. Mein Strickkleid hat eine ungeheure Länge entwickelt … Diese Dichtertaufe hat mir Jahre später beim Verfassen eines Schultheaterstückes über Friedrich Rückert in Erlangen 2002 gute Dienste geleistet. Damals war ich Lehrerin an der Rückert-Schule in Erlangen."
Heute ist Hanne Opoku-Pare im Erlanger Rückert-Kreis e. V. aktiv.
Hans Mager schrieb mir von einem kleinen Literaturmuseum, dem Rückert-Poetikum, in dem es um die Kindheit (1793–1802) des späteren Dichters und Sprachgelehrten in Oberlauringen geht. Sogar ein 2,4 Kilometer langer Rückert-Rundweg mit neun Stationen wurde eingerichtet.
Bevor es jetzt zu viel an "Heldenverehrung" wird, die mir eh zuwider und fremd ist (und die auch nichts mehr mit der Lebenswirklichkeit der betreffenden Person zu tun hat!), kommen wir zu einem sehr traurigen Kapitel in Friedrich Rückerts Leben. Dass er diesem Ereignis sogar einen kleinen Hoffnungsschimmer abgewinnt, bleibt eines der Wunder, die vielleicht nur Literatur zustande bringt.
Herzliche Grüße
Matthias Kröner
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Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen,
bald werden sie wieder nach Haus gelangen,
der Tag ist schön, o sei nicht bang,
sie machen nur einen weiteren Gang.
Jawohl, sie sind nur ausgegangen,
und werden jetzt nach Haus gelangen;
o sei nicht bang, der Tag ist schön,
sie machen den Gang zu jenen Höh’n.
Sie sind uns nur voraus gegangen,
und werden nicht hier nach Haus verlangen,
wir holen sie ein auf jenen Höh’n
im Sonnenschein, der Tag ist schön.
Kurz eingeordnet
Der Bamberger Schriftsteller und Bundesverdienstkreuzträger Hans Wollschläger nannte sie die „größte Totenklage der Weltliteratur“, der SZ-Journalist und Eichborn-Autor Rainer Schmitz die „gigantischste Traueranzeige der Literatur“. Die Rede ist von den erschütternden „Kindertodtenliedern“, die ich für das Wichtigste halte, was Friedrich Rückert uns überliefert hat – es weht in unsere Zeit hinein, bleibt bestehen!
Der Hintergrund ist, wie so oft, ein authentisch-tragischer. Am 31. Dezember 1833 und am 16. Januar 1834 starben Luise und Friedrich Rückerts jüngste Kinder Luise (3 Jahre) und Ernst (5 Jahre) an epidemischem Scharlachfieber; Ernst erlitt zusätzlich eine schmerzhafte Hirnhautentzündung. Dass wir heute Bilder der beiden Kinder haben, hängt mit einem engen Freund Friedrich Rückerts zusammen: dem Künstler und Kupferstecher Carl Barth (1787–1853). Kurz zuvor hatte Barth die zwei „Kleingebliebenen“ porträtiert. Obwohl die Rückerts zehn Kinder hatten – und damit so viele wie Charles Dickens, nur Christoph Martin Wieland (14 Kinder) und Leo Tolstoi übertrafen sie (16 Kinder) –, waren sie nachvollziehbarerweise untröstlich, der Verlust blieb unersetzlich. Der verzweifelte Vater stürzte sich in die Arbeit und schuf 428 Gedichte über seine „voraus gegangenen“ Kinder. Dass er sich dabei über alle Trauer und allen Schmerz hinweg einen Hoffnungsschimmer beibehalten hat („wir holen sie ein auf jenen Höh’n / im Sonnenschein, der Tag ist schön.“), ist eines der großen Wunder dieser Werke, die dank Gustav Mahlers Vertonung von 1904 in die Weltliteratur eingingen. Auch Eva Zaïcik interpretierte das vielleicht berührendste dieser traurigen Lieder.
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