Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes,
liebe Lyrikfans,
heute ist es soweit: Ich begrüße Sie zum letzten Tag des Rückert-Projekts.
Hätte man eine andere Auswahl an Gedichten treffen können? Selbstverständlich! Sind all meine Interpretationen richtig? Natürlich nicht! Es sind nur Vorschläge, Ideen, Möglichkeiten. Dabei habe ich mich – sehr! – bemüht, die korrekten Daten und Fakten aus Büchern, dem Internet, aus (Fach-)Artikeln und Sammelbänden herauszufilten, doch „richtig“ im Sinne von „ewig wahr“ gibt es in der Literatur (und im Leben) ohnehin nicht. Es gibt immer nur Annäherungen an die Annäherung – und ich muss sagen, dass mich Ihre Erfahrungen und Episoden zu vielen der Rückert-Gedichte stets noch mehr gefreut haben als all die wissenssatten Fachkommentare, durch die ich mich während meiner Recherchen wie ein lesender Maulwurf gewühlt habe …
Denn: Ob ein Gedicht heute noch lebt, sieht man nur (!) daran, ob es mit heute lebenden Menschen noch etwas anstellt. Und das war und ist definitiv der Fall!
Die Rückert-Gesellschaft, die dieses digitale Literaturprojekt mit der Stadt Schweinfurt und der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten gefördert hat (danke!), hat mich gebeten, auf ihre Instagram- und Facebookseite hinzuweisen, was ich gerne tue.
Last, not least: das geniale Logo des Rückert-Projekts stammt von meiner Frau, der Künstlerin und Grafik-Designerin Berit Kröner. Lieben Dank!
Nun aber – Vorhang auf für das letzte Gedicht dieser Serie!
Viel Vergnügen und herzliche Grüße,
Ihr Matthias Kröner
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Verwelkte Blume
Menschenkind,
man senkt gelind
dich in die Erde hinunter,
dann wird ob dir
der Rasen grün
und Blumen blühn
und du blühst mitten darunter.
Kurz eingeordnet
Ob Rückert heute ein „Superstar“ wäre, wie der Heidelberger Professor Ralf Georg Czapla feststellt, wage ich sanft zu bezweifeln. Friedrich war viel zu scheu, viel zu wenig Lautsprecher und viel zu introvertiert, um einen YouTube-Kanal zu haben oder eine Instagram- oder TikTok-Story nach der anderen in die Welt zu jagen. Nein, ich glaube, Rückert wäre auch heute ein Außenseiter, der allerdings auffallen würde, nicht nur wegen seiner schieren Körpergröße! Seine Übersetzungen würde man kennen, seine Gedichte wahrscheinlich auch, und womöglich wäre er ein Mittler zwischen der islamischen Welt und der christlich geprägten Welt des Westens. Würden sich zwei Streithähne gar nicht einig, gäbe Rückert beiden die Aufgabe in die Gedichte der jeweils fremden Kultur hineinzulesen – wer weiß, was dabei herauskäme …
Was man abseits aller Spekulationen sagen kann: Rückerts Nachwirken war breit und groß. Nicht nur, dass er neben Goethe, Eichendorff und Heine zu den meistvertonten deutschsprachigen Dichtern gehört – es existieren 2.000 Lieder von 800 Komponisten! –, auch van Gogh, Hermann Hesse, Janosch und sogar die „Micky Maus“-Comics (in der Übersetzung der lange in Oberfranken lebenden Erika Fuchs) beziehen sich auf Rückerts Schaffen. Selbst in Hollywood-Filmen („Was vom Tage übrig blieb“, 1993) und Klassikern („Die Liebenden vom Pont-Neuf, 1991; „Coffee and Cigarettes“, 2003) finden Rückert-Gedichte statt.
Kommen wir zum Gedicht selbst! Manche Literaturwissenschaftler sagen, dass die „Verwelkte Blume“ (1866) das letzte Gedicht des Meisters sei, andere widersprechen. Es ist sicherlich eines der letzten Poeme des Reimkünstlers. Wir finden darin neben einer durchgetakteten Sprache und einer betörenden, beeindruckenden Wortmelodie die typischen Rückert-Themen: Vergänglichkeit, immer wieder Vergänglichkeit, aber auch Hoffnung, immer wieder Hoffnung, und ein Aufgehobensein in der Welt und im (Nach-)Leben.
Nicht die schlechtesten Themen, um sich dem Geheimnis des Daseins zu nähern – oder sagen wir vorsichtig: anzunähern!
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