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Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes, liebe Lyrikfans,

herzlich willkommen zu meinem neuen Projekt »Flash Fiction – 33 shortshort Storys«! Heute geht es noch ein letztes Mal um eine Geschichte bis höchstens 1.000 Wörter.

Ich darf sagen, dass ich das fünfte digitale Literaturprojekt mit Ihnen allen wieder sehr genossen habe!
Angefangen hat alles 2021 mitten im zweiten Lockdown mit der »Lyrischen Post – 100 Gedichte an 100 Tagen«. Inzwischen sind wir ein Kreis von mehr als 1.400 (!) Eingeweihten, die diesem Newsletter folgen und mir immer wieder die schönsten Nachrichten schicken.
Hier fünf beispielhafte Mails, die mich erreicht und sehr gefreut haben:

»Seit dem wunderbaren ›Adventskalender‹ nun Ihre nächsten fabelhaften Geschichten. Diese heute rührt mich besonders an, ich bin in relativ einsamer Umgebung am Rand eines Waldes groß geworden, und man hat mir den Wald und die Bäume früh nahegebracht. Danke für diese schöne Geschichte.«
Andrea Eufe, Leserin

»Ich muss es einfach noch einmal schreiben! All Ihre Geschichten sind so wunderbar und bereichernd … regen zum Nachdenken und Diskutieren an … Ich warte morgens schon auf Ihre nächste Ausgabe!«
Hannelore Witt, Leserin

»Was für ein großer Wurf heute wieder. Ich genieße alle FlashFiction-Geschichten mit diesem besonderen Dreh, aber heute muss ich doch mal DANKE sagen. Der gute alte Salieri rückt sich selbst ins rechte Licht, die Musiker frotzeln freundschaftlich mit- und übereinander im Himmel und Mozart wird liebevoll von diesem übermenschlichen Sockel geholt – so ein schönes Bild!«
Beatrice Schwartner, Redakteurin bei MDR Kultur

»Heute habe ich Tränen gelacht. Ihre Kurzerzählungen sind für mich wie ein Sog!«
Heidrun Botzet, Leserin

»Vielem Dank für das spannende Projekt und die vielen inspirierenden Geschichten! Sie sind für mich ein tägliches Stück literarische Schokolade.«
Sabrina Heiming, Leserin

Dies alles wäre nicht möglich, ohne den wunderbaren Kulturfunken, der dieses Projekt gefördert hat. Es handelt sich um eine Initiative, die ihresgleichen im Bundesgebiet sucht, womöglich sogar europaweit, und stets dafür sorgt, dass solche literarischen Abenteuer gemeinnützig, niederschwellig und kostenlos bleiben.
Denn: Auch wir Kreativen müssen von etwas leben! Somit geht ein großes Dank an Kulturfunke* – Die Plattform für Kultur nach neuen Regeln.
Liebes Kulturfunke-Team, es ist beeindruckend, was ihr seit Jahren leistet!!

Wenn Sie meine Arbeit als Schriftsteller unterstützen wollen, freue ich mich sehr, wenn Sie meine Bücher kaufen. Ich kann Ihnen alle Bände selbstverständlich auch signieren und zum üblichen Ladenverkaufspreis plus 2 Euro Porto zusenden. Eine kurze Mail genügt.

Zuletzt: Falls Sie die eine oder andere Flash-Fiction-Story verpasst haben, können Sie alle Aussendungen auf meiner Autorenseite nachlesen.

Nun aber viel Freude beim Lesen und Hören der (vorerst) letzten Geschichte!
Ihr Matthias Kröner

 

Die 1001. Nacht

Es reicht, denkt Regina, als sie sich dem Mann neben sich wieder zuwendet. Wahrscheinlich wirst du noch vor dem Frühstück gehen und dich nie mehr bei uns blicken lassen. Als alleinerziehende Mutter haste nicht mal die Möglichkeit, jemanden näher kennenzulernen, weil die Männer Angst vor deinem kleinen Jungen haben und von dir Abstand nehmen, als hättste Lepra.
Diesmal nicht, denkt Regina und fängt zu erzählen an. „Neulich ist mir etwas ziemlich Merkwürdiges passiert.“
Der Mann in ihrem Bett ist müde. Sie darf ihn unter keinen Umständen mit ihrer Geschichte langweilen, während die Nacht vor dem Fenster dick wird. Wie schwarzer Pudding steht sie vor dem Schlafzimmerfenster; das Licht der Straßenlaternen bemüht sich, durch sie hindurchzudringen.
„Du kennst doch das neue Fischrestaurant, das sie hier um die Ecke eröffnet haben. Dieses edle El Pescador. Preise nicht unter zwanzig Euro.“
„Ja, und?“ Der Mann hält nur noch mühsam die Augen auf. Wahrscheinlich ist er bereits auf Arbeit, nicht mehr in ihrem Bett. Ich will dich kennenlernen, denkt Regina, es kann nicht sein, dass ihr Männer immer nur an das Eine denkt – und dass man euch immer abschleppen, aber nicht behalten kann.
„Naja, ich war den ganzen Tag in der Firma und wollt mir am Abend noch etwas gönnen. Ich ruf den Babysitter an und geh los. Jedenfalls komm ich rein – alles todschick – und seh, wie sich in einer Ecke so Männer versammelt haben. Ganz genau wie in einem der Mafiafilme, die man vom Kino kennt. Perfekt gekleidet, Sakko und Schlips. Du hast richtig das Geld gerochen und von den Schuhen hat sicher kein Paar unter 500 Euro gekostet.“
Der Mann stützt sich auf die Ellenbogen und widmet Regina die volle Aufmerksamkeit. Wenn es um Geld geht, hören die Männer zu. Sie sind deshalb nicht böse; sie verhalten sich, wie es die Evolution verlangt. Früher hätten sie zugehört, wenn es um eine Wasserstelle der Mammuts gegangen wäre. Oder um einen Blitzeinschlag, der einen Baum zum Brennen bringt.
„Die Bedienung kommt und bringt mir den Fang des Tages. So lecker, da müssen wir auch mal hin! Ich hol ein Buch heraus und versuch zu lesen.“ Regina deutet neben sich auf den Nachttisch, eine erotische Zeichnung ist auf dem Buchcover abgebildet. Der Mann liest den Namen Scheherazade. Er kann damit wenig anfangen.
„Aber diese reichen Typen sind einfach zu interessant. Die sitzen da rum, als würden sie etwas planen, als wollten sie eine Bank ausrauben oder jemanden umbringen.“
Der Mann schaut ihr jetzt in die Augen. Seine Müdigkeit ist verschwunden. Er denkt nicht mehr an ihren Körper. Er signalisiert ihr, dass er den Worten folgt wie Ali Baba den vierzig Räubern.
„Es wird viel getrunken. Einmal unterhalten sie sich über Frauen. Alle sind sich einig, dass Frauen irgendwann ihre Lust verlieren. Dabei sind Frauen genauso lustvoll wie Männer; kluge Männer wissen damit zu spielen. – Dann geht es wieder um ihren Plan. Sie senken die Stimmen, flüstern. Manchmal kommt die Bedienung, schenkt ihnen Rotwein nach. In diesen Momenten wird es sehr still. Ich bin mir inzwischen sicher, dass die Männer was zu verbergen haben. Es sind genau zwanzig. Und wir sprechen von keinem Junggesellenabschied. Einer packt eine Karte aus. Er entfaltet sie, während die anderen ihre Augen aufsperren. Da ist etwas eingekreist, soviel kann ich gerade noch sehen, wenn ich mich ganz leicht aufrichte. Ich erkenne Pfeile, Handgeschriebenes und überlege, ob ich vielleicht in einem Paralleluniversum gelandet bin. Fast steh ich, befeuert vom Rotwein, auf und schau ebenfalls in die Karte. – Dann plötzlich ist Aufbruchsstimmung. Einige sind betrunken. Sie lallen, einer stolpert. Die meisten ziehen ihre Sakkos an, richten den Schlips und drängeln sich nacheinander an mir vorbei. Zwei gehen zur Toilette. Ich weiß nicht, wieso, aber ich folge ihnen. Die Wand zwischen der Damen- und Herrentoilette ist dünn. So dünn, dass ich ihr betrunkenes Geschrei verstehe. Menschen auf Alkohol sind sehr laut. Und Männer auf Alkohol geben an. Der eine erzählt von einem Picasso, den er in einem Museum in London gestohlen hat. Ich trau natürlich erst meinen Ohren nicht. Muss mich total konzentrieren, weil die Pinkelgeräusche ihre Worte an manchen Stellen übertönen. Dann verrät er die Zahlenkombination des Safes. Ich kritzle sie mir mit meinem Kajalstift in die Hand.“
Regina öffnet die linke Hand. Es ist zu dunkel, um die Ziffernfolge zu sehen. Wahrscheinlich hat sie sie eh längst abgewaschen, denkt der Mann.
„Der Typ nennt seine Adresse. Und dass er morgen verreist, aber übermorgen wieder zu Hause ist. Das Haus mit dem Picasso ist also unbewacht, zumal er keine Alarmanlage besitzt, wie er angeberisch erklärt.“
„Und dann? Wie geht’s weiter?“
Der Mann in ihrem Bett hat alles um sich vergessen. Er weiß nicht einmal mehr, wie er heißt. Er interessiert sich nur noch für den Fortgang der Geschichte. Ist sie etwa ins Haus des Ganoven eingebrochen, und was haben die Mafialeute geplant? Ist das Bild vielleicht in diesem Moment schon in ihrer Wohnung? In ihrem Kleiderschrank, unter dem Bett?
„Den Rest erzähl ich dir morgen.“
„Was – wieso?“
„Weil ich jetzt müde bin. Die Zeit läuft uns ja nicht davon, oder?“

 

 

P.S.: »Flash Fiction – shortshort Storys« wird von Kulturfunke* gefördert – vielen Dank dafür!

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Matthias Kröner - Grüner Weg 44 - 23909 Ratzeburg - Tel.: 0176/32331629