Liebe Freundinnen und Freunde des guten Wortes,
liebe Lyrikfans,
bevor wir uns gleich dem zweiten Gedicht von Friedrich Rückert zuwenden, soll es heute ein kleiner Hinweis sein. Ich gebe um 15 Uhr in der Stadtbücherei Ratzeburg anlässlich der "Langen Nacht der Demokratie" einen kostenlosen (!) Lyrik-Workshop. Jede und jeder ist willkommen!
Außerdem gab es bereits sehr schöne Rückmeldungen: Eine Leserin freut sich, "in die sehr fernen Tiefen meines Germanistik-Studiums eintauchen zu dürfen". Wer jetzt Angst bekommt: Keine Sorge, wir werden weder Jamben noch Trochäen zählen! Es wird um allgemeingültigere Einsichten gehen.
Elisabeth Oltzen mag es, dass sich "Bildung und Unterhaltung wunderbar mischen". Und eine dritte Leserin verriet mir, dass sie durch das Rückert-Projekt wieder einmal einen Rückert-Band aus ihrem Regal gezogen hat, den "Liebesfrühling", in den wir natürlich auch hineinspitzen, bei Tag 12 (psst!) ...
Sehr gefreut habe ich mich (neben vielen anderen Antworten und Mails) noch über diesen Satz von Maria Steinert: "Sehr anregender Auftakt, dieses moderne und wieder sehr aktuelle Gedicht von F. Rückert."
Genug der Vorworte! Bitte genießen Sie Gedicht 2!
Ihr Matthias Kröner
|
|
Ihr fragt, ob ein Theist
ich sei, ob ein Deist?
Ich sage: Laßt die Faxen!
Thee trinken Niedersaxen,
und Obersaxen Dee;
ich trinke nur Kaffee:
bin kein Theist noch Deist,
sondern ein Kaffeist.
Kurz eingeordnet
Friedrich Rückert gilt als einer, der wenig bis keine Veränderungen an seinen Gedichten vornahm. Was er einmal geschrieben hatte, blieb meist wie in der Erstfassung. Dadurch gelang es ihm, mehr als 20.000 (!) Gedichte zu hinterlassen – und als Vielschreiber verschmäht zu werden.
Egal, ob man das jetzt gut oder schlecht findet (oder gar nicht wertet): Für dieses Arbeitspensum braucht es ab und an einen Muntermacher. Ähnlich wie andere Großmeister des geschliffenen Wortes – Bukowski war ein begeisterter Bier- und Bourbontrinker, Hans Fallada sogar Morphinist, selbst Stephen King sprach Alkohol, Aufputschmitteln und Kokain zu – mochte und besang Rückert seine Lieblingsdroge und dessen Wirkmacht.
Apropos: Auch Friedrichs fränkischer Kollege Jean Paul ist ein entflammter Befürworter des Koffeins. Goethe, der fleißig Wein konsumierte, konstatierte abfällig: „Ein glücklicher Mensch, dieser Jean Paul! Er braucht nur eine Tasse Kaffee zu trinken, und schon kann er dichten.“ Voltaire, Hebbel und Tschechow waren koffeinabhängig, und Balzac ging daran zugrunde (er trank bis zu 80 Tassen am Tag!).
Zurück zu Rückert! Was mir sehr gut an diesem Gedicht gefällt: Der Lyriker entzieht sich jedem Theismus (= der Glaube an einen absoluten Gott) und Deismus (= der Glaube an einen Gott aus Vernunftgründen), sogar dem Teeismus. Er ist und bleibt ein Kaffeeist.
Ist das große Literatur? Nein, aber sehr launig zu lesen und eine lustige Morgenlektüre. In diesem Sinne: Prost Kaffee!
P.S. Dazu passt auch, dass Die kleine Kaffeerösterei in Schweinfurt einen Rückert Espresso anbietet (500 gr. zu 13,60 Euro). Nein, ich bin nicht am Verkauf beteiligt!
|
|
|
|